Wandertage auf dem Mont St. Odile – Naturschauplatz und spirituelle Hochburg im Elsass  

Der Bergrücken am Ostrand der Vogesen südlich von Strasbourg wird als Heiliger Berg bezeichnet. Er liegt hoch über der Rheinebene und ist der wichtigste elsässische Wallfahrtsort mit einer markanten Klosteranlage, die bis in das 7. Jahrhundert zurück geht. Die Gründerin ist die Heilige Odilie (650-720), Schutzheilige des Elsass‘ und der Blinden. 

Für viele Besucher*innen umgibt der 700 Meter hohe Berg eine besondere Aura. Archäologische Spuren deuten darauf hin, dass das Felsmassiv des Odilienbergs bereits von Kelten, Römern und Alemannen als Kraftort genutzt wurde.

Der Berg wird von einem über 10 Kilometer langen, künstlich angelegten Ringwall aus Steinquadern umgeben, über dessen Entstehungsdatum sich die Forschung bis heute nicht einig ist. Allerdings kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Wanderer (und auch ich) nach der zweistündigen Rundtour durch die mystisch bezaubernden Wälder entlang der „Heidenmauer“ wie aufgetankt zurückkehren, beschwingt und frohen Mutes! 

Ca. 10 km lang durchzieht die Heidenmauer die Wälder auf dem Mont St. Odile.

 

Lichtträgerinnen: Odilie und Maria Magdalena!  

Die Legende erzählt, dass Odilies Vater, der Herzog von Adalrich von Elsass, sie nach ihrer Geburt töten lassen wollte, weil sie ein Mädchen und dazu noch blind war. Ihre Mutter Bereswinde aus dem Geschlecht der Merowinger gab sie einer Hebamme, die sie im Kloster Balma unterbrachte. Mit 12 Jahren wurde das Mädchen vom Regensburger Bischof getauft. Als sie die mit Öl getränkte Augenbinde abnahm, war sie sehend. Sie bekam den Namen Odilia, Tochter des Lichtes!

Später lebte sie als Äbtissin nach der Regel des hl. Benedikt im Kloster Hohenberg auf dem Odilienberg. Ihr Festtag, der 13. Dezember, zugleich der Tag der hl. Lichtträgerin Lucia, war nach dem gregorianischen Kalender die Wintersonnenwende. Odilia steht in der Tradition des alteuropäischen, keltischen Heilwissens. Sie ist die Wegweiserin, die die Menschen aus der Dunkelheit ins Licht führt, ihre Augen und alle Sinne öffnet. Sie wird oft mit dem Symbol geöffneter Augen dargestellt.

 

Parallelen zu Maria Magdalena – Schwestern im Geiste

Das Massif de la Sainte-Baume, der Mont Ventoux und Mont Sainte-Victoire zählen zu den drei Heiligen Bergen der Provence. Im Vorwort des Buches „Evangelium der Maria Magdalena“ von Jean-Yves Leloup wird berichtet, dass Maria Magdalena nicht nur in der Grotte im Sainte Baume-Gebirge über 30 Jahre gelebt, sondern auch in den Höhlen, die die ganze Gegend durchziehen, eine Art Clairvoyance – klares Sehen – entwickelt haben soll. Das erlaubte ihr, sich in dem Höhlensystem zu bewegen, ohne Fackeln zu benutzen und so an Orten unerkannt aufzutauchen, um den Menschen die lichtvolle Botschaft vom Königreich Gottes zu überbringen. 

Auch die Regisseurin des Dokumentarfilms „Jesus und die verschwundenen Frauen“, Maria Blumencron erzählt in ihren Recherchen, dass eine Wandmalerei in einer der ältesten koptischen Kapellen Syriens Maria Magdalena  als Lichtträgerin zeige, symbolisch mit einer Fackel dargestellt.

Die Höhlen im Kalkstein-Gebirge des Sainte-Baume erstrecken sich über Hunderte von Kilometern und bilden das ausgedehnteste unterirdische System der Erde (Quelle: Buch „Evangelium der Maria Magdalena“, Vorwort von David Tresemer und Laura-Lea Cannon) ©Manfred Hammes

 

Eindrücke vom Odilienberg, Jahresausklang 2023: 

Bild 1: Grabstätte und der Reliquien-Sarkophag der Heiligen Odilie in der Odilien-Kapelle auf dem Mont St. Odile. Bild 2: Einige der Linden in der Klosteranlage haben sich wundersam geöffnet und zeigen die Lebensadern der Bäume. Bild 3: Am 30.12.2023 fand abends ein Geigen-Konzert zu Ehren der Heiligen Odilie statt. Bild 4: Die Monumentalstatue der Heiligen Odilie auf dem Aussichtstürmchen der Anlage segnet die Rheinebene für alle sichtbar seit 1923.